Sonntag, 25. Juli 2021

Grauenvolle Warenstrudel, geile Kurse, kommunistische Neandertaler, die Steppe Bielefelds und verschreckte Herrenorgane. Die Lesebühnen-Nachlese

Wenn man den depperten Kapitalismus wirklich vernichten will, wird man sich wohl einen schönen Mittsommerabend aussuchen müssen, damit sich das zu befreiende Volk das gute Leben ganz leicht vorstellen kann. "Schaut's", müsste man sagen, "wie gut es sich hier im Gartenklee vor dem supernen Strandgut sitzt, mit einem kühlen Bier aus regionaler Produktion in der ruhenden Hand!" Die befreit vom Joch des Konsumzwangs aufatmenden Menschen würden sagen "Gütt!" Und dann müsste man ein wenig Ästhetik betreiben und vielleicht noch herzeigen, wie man die Güter des täglichen Bedarfs so lange kreisen lässt, bis jeder was hat. Wir nennen diesen upzyklierenden Warenstrudel "Tombola des Grauens", bald wird sie den Einzelhandel ersetzen:

Und so haben wir es auch gemacht!

Professor Buttinger, der Klaus unseres Vertrauens, klärte zuerst einmal die Sicht auf die Fakten: Der Kapitalismus kommt ursprünglich aus der Fischzucht, man schreibt ihn korrekt mit einem R vor und einem F nach dem P. Abgesegnet wurde die Verwandlung der Materie in Waren durch Papst Krösus III, der Arsch. Und so weiter! Erst der Heilige Sigi Maron kanonisierte das, was auch Titel unserer Emanzipationsveranstaltung war: "Der Kapitalismus is a Sau!" Arg eigentlich, was können die sympatischen Karpfen der Wiese für diese scheiß Ausbeuterei. In einem weiteren, zu Recht sehr stark vom Volk ästamierten Textbeitrag stahl der Professor aus der Messestadt den Börsenachrichten die Worte und setzte sie dafür ein, wofür es sich zu leben lohnt: das gut gemachte Bumsen: "Gewinne erwartend, wird er fester." Im Abschlusslied widmete er sich dem "Faszinosum" Phil Collins. Statt "I can't dance" schmetterte er "I bin stier! I bin blank!" 

 

Chefingenieur René Monet, das Gehirn Ansfeldens, stellte malerisch dar, warum sich der Kapitalismus als Kulturtechnik bei den Neandertalern noch nicht durchsetzen konnte (sie durchschauten das schmierige Auftreten von Vertretern der Homines sapientes als gierige Rosstäuscherei): Gurknarg verdrängt den Karl mittels Keulenhieb letal aus dem Markt. In den bewährten Karlicek-Dialogen illustriere Monet, dass Besitz belastet. "So ein Mensch leistet sich ab und zu eine Spezialität." Wenn das eine Bank ist, fängt der Stress erst an, das können sich die armen Leute gar nicht vorstellen. Schließlich sampelte er die lieben Beatles und sang: "I kauf ma ois!", auch die Liebe! Denn mit Göd kauf i ma ois. Dazu klingelte es anregend in der von uns zur Verfügung gestellten Geldwaschmaschine. 

Jetzt aber endlich zum lieben Gaststar Martin Amanshauser! Er startete fulminant mit den onomatopoetischen Klangverdichtungen seines hochbegabten Nachwuches, der auch befindet, dass ein Tierarzt selbstverständlich selbst ein Tier sein müsse. Zum Thema passte Amanshausers lyrische Verzichtserklärung, dass er lieber im Literaturhaus Mattersburg lesen wolle, als ein Boutiquehotel auf den Malediven führen zu müssen, oder gar mit einem Wurschtwagerl durch die Steppe von Bielefeld zu wackeln. Auf Hochleistungsdeutsch las er Dinge wie "Heimische Investoren und Immo-Entwickler setzen den Weg einsam fort. Späte Trauer", weil ihnen die Schatzis im Sumpf mit den Stöckelschuhen hängen geblieben sind. Sad! Dann ging es noch um gefoppte BRD-Touristen im Cablecar, brennende Mösen und verfließende Lieben, die von der Unbequemlichkeit des Lebens im Sonnensystem singen. 

Präsidentin Dominika Meindl irrlichterte im ihr fremden Reich der Poesie herum und las aus ihrem Zyklus "Leistungsverdichtung": am ende des tages / enkelfit in die zukunft". Penise verkrochen sich wie Schildkröten und konnten auch mit Salatblättern nicht mehr aus den Herrenleibern herausgelockt werden. Sie rief zum drölfzigsten Mal das revolutionäre Gewaltmatriarchat aus (für dessen konkrete Implementierung sie selbst aber zu faul und zu hetero und zu weichherzig ist). Sie informierte zudem über ihre just-in-time-Lieferketten-Poetologie (die Pointe konnte wegen der Verstopfung im Suezkanal nicht rechtzeitig geliefert werden). Im letzten Text versuchte sie eine Ehrenrettung des Wirtschaftens, über verzweifelte Lebenskünstler in Skinfit-Anzügen und ihr Scheitern an der enthemmten Sexualkraft der fest an den Schalthebeln der Macht sitzenden Diskurstanzinnung. Das übliche wirre Zeug!

Das war's, wir sind sehr zufrieden, fast schon glücklich. 

Am 24. September sehen wir einander wieder, bis dahin wissen wir selbst, mit welcher Gästin und zu welchem Thema. Sehr gern könnt ihr Vorschläge in den Kommentarteil einpflegen!




Donnerstag, 1. Juli 2021

Der Kapitalismus ist eine Sau!

 


Freitag, 23. Juli, 2021, 20 Uhr, Kulturverein Strandgut (Ottensheimer Straße, 4040 Linz). Eintritt frei! Der Austritt kostet 2 € (= 1 Tombolalos). Bei Schönwetter open air!

Zu Gast ist Martin Amanshauser (Wien) 

Foto: Manfred Weis

Gibt's denn wirklich keine Form des Wirtschaftens, die unsere Intelligenz nicht beleidigt? Kommt schon, das kann doch nicht so schwer sein. Bis zum 23. Juli stecken wir unsere drei Häupter zusammen, dann laden wir uns den Amanshauser Martin dazu ein, und los geht's mit dem guten Leben. Der Buttinger wird's wieder wissenschaftlich herbeizaubern wollen, der Chefingenieur Monet mit Chemie oder Drogen, die Meindl ruft zum siebzigsten Mal das Matriarchat aus, wird aber wieder zu faul sein, um es endlich durchzuziehen. Alle Hoffnungen liegen auf dem Amanshauser! Er liest aus seinem schon einmal herrlich betitelten Werk „Es ist unangenehm im Sonnensystem“. Literarische Kleinodien, durchaus mit Endreim! Realistische Melancholie – also exakt Unsers. Vorfreude!

Der Titel unserer Sommer-Lustbarkeit verneigt sich vorm großen Sigi Maron, dem diese Weisheit zugeschrieben wird, zugleich vorm hochgeschätzten Groll, der sie auf uns brachte. Gleich in den Kalender dazuschreiben: Im Strandgut gibt’s eine unglaublich tadellose Bierauswahl, da sind wir ausnahmsweise gegen kommunistische Güterverknappung.

Mit warenförmiger Tombola des Grauens! Und wirtschaftsfeindlichem Liedgut der „Blutgruppe!

Basteln mit Kriegsverbrechern, literarische Jugendsünden, im Fegefeuer mit Clown Enrico und traumatisiert durch den Jungen aus Flandern: Das war unsere Kindheit, die kann jetzt weg.

Die OLW-Nachlese zum Saisonstart im Kultur Hof: "Kindheit - ist das Kunst oder kann das weg?" Mit Gästin Nadja Bucher.

Man kann freilich schon von einer energetischen Verwurschtelung sprechen, die Saison exakt dann zu starten, wenn sie traditionell eigentlich endet und in das Liegen in der sozialen Hängematte münden soll, das so lange dauert, dass sich die Mattenschnüre so in unsere Hintern graben, dass es schon bissi wehtut. Andererseits sind wir ja quasi erholt, es fühlt sich nur nicht so an. Hier endet das Proömium. 

Oben zu betrachten ist unser Professor Buttinger, der die 34 Phasen der Kindheit beleuchtete, von der pränatalen bis zur letalen. Gründlich! Profund! So verdient man sich den Bolognapunkt ganz easy mit Lauschen. Auch erzählte der Buttinger von seiner Kindheit hinterm Krieg, als es noch keine Demokratie gab, nur ÖVP. Und keine Betäubung beim Zahnarzt, und SS-Sturmscharführer beim Kinder-TV-Basteln. Arg! Bitte übrigens nicht an Herbert Grönemayer verschergen, dass wir seine "Kinder an die Macht" exakt umgekehrt empfehlen, siehe die aktuelle Bundesregierung, die ja auch unseres Erachtens etwas zu jung ist. We don't need no old education, all we need is a Bildungsreform, sunst lebn ma boid im Woid!

 
 
Oben und unten sind warenförmige Materialassemblagen zu "bestaunen", Ersteres die stark angeschwollene "Tombola des Grauens" samt 3-D-Fernseher ohne Strom und zahllosen Statuetten aus dem Bestand von Bundespräsidentin Meindl. 
Gleitet das geneigte Auge leicht nach unten, erfasst es den "Merch", wie es in der "Szene" heißt, also die Produktpalette, der ihre Metamorphose hin zum Tombolagut noch bevorsteht. "Die Doderer-Gasse" unserer lieben Gästin kann locker noch auf 27 schöne Jahre im Produktzustand erwarten.

Auch in Chefingenieur René Monet hat sich Gedankenstau gebildet, den er sehr gelehrig in Tombolatexte kanalisierte. Da wäre etwa der Schulversuchsbericht zu nennen, in denen Menschen mit regierungsähnlichen Namen über Klassenkasperl und Streber unter den Impfstoffen konferierten: Der chinesische Austauschschüler Sinowatz kriegt gar nichts geregelt. 

Sehr betroffen war das Publikum nach Enthüllung seiner germanistischen Entdeckung über die Jugendsünden unserer klügsten und besten AutorInnen: Jandl hat gestottert, Handke dauernd beim Fußball versagt, Artmann war ganz besessen vom Kaschperltheater, Bachmann hat ihren eigenen Preis nie gewonnen, dafür aber die recht dämliche Serie mit Al Bundy geghostwritet. Stefan Zweig war ein notorischer Schummler beim Schach und Wolf Haas hat immer noch Betretungsverbot beim Gendarmerieposten Maria Saal, weil er als junger Strolch andauernd hineinrannte und "Jetzt ist schon wieder was passiert!" rapportierte (Fake News).


Jetzt aber endlich zu jenem Menschen, der dem geliebten Publikum an jenem Abend am "seltsamsten" war, wie der Mühlviertler so schön den Abwechslungsreichtum benennt. Unsere wertgeschätzte Gästin der Herzen, Nadja Bucher! Sie las wie bestellt und gewünscht aus ihrem jüngsten Werk, "Die Doderer-Gasse", die es hier im Falter von der Präsidentin herrezensiert und zu erwerben gibt. Der Großdichter reinkarniert als sehr bizarrer Dämon im Leib einer Neugeborenen. Das Matriarchat befindet, dass es eh keine Strafe sei, das Leben einer Frau erfahren zu dürfen. In Zukunft zumindest. Eine weitere extrem tragende Rolle übernahm Madame Bucher beim Verlesen des Sozialdramas "Du bist Familie Petz", in dem sie der recht neoliberalen, unangenehmen Ratte Fips ihre angenehme Stimme gab.

Die Frau Präsidentin Meindl schließlich enthüllte das Geheimnis ihrer unregulierten Zähne ("Mit einem Vampirgebiss vom Spielwaren Beyerl geht's nicht"), gewann per "demokratischem" Applaus-Battle den Wettkampf um die schlimmste Kindheit (s. Vampirgebiss und Wochentagsunterhoserl) und referierte über den Kollateralnutzen extrem traumatisierender Kinderserien in den frühen 1980ern: Niklas erfriert jämmerlich in der Kathedrale, Perrine ist eine obdachlose Minderjährige, aber dafür ist die Generation X stoisch angesichts präpotenter Boomer und woken Schneeflocki-Millennials. Sie kündigte an, es ihrem "Kollegen" Brezina gleichzutun und Kafka in Reime zu bändigen: "Am Morgen aus dem Schlaf erwacht, der Gregor in die Hose kracht: Ich scheiß mich an, ich bin ein Käfermann!" Dann schändete sie Nirvana und wurde vom Tontechniker wegen Verwüstung der Anlage getadelt, aber so ist das halt im Grunge.


Im abschließenden Sozialdrama kommt es zu angewandter Umverteilung zwischen den Generationen (Petzi flaucht Hilde Petzens Haushaltskassa und vertuscht alles im Zuckerlgeschäft mit der Ratte Fips). Die Jury des "Not so new Comer"-Stückewettbewerbs des BmUKK sah trotz der literarischen Leuchttumrqualität des Oeuvres keine Möglichkeit, das kritische Werk, das den Finger an die an der Zeit nagenden Zähne legt, zu berücksichtigen. 

Und sonst noch? Der Chefingenieur erfindet die ewige Jugend, die aber nicht lange hält und immer wieder in einer schiachen Pubertät endet - so weit behauptet es das Tagebuch. 

Jetzt aber ist wirklich genug berichtet worden, gleich haben wir ja Sommerferien und wollen raus zum Völkerball! 

Am 23. Juli kommt's uns wieder alle her, diesmal ins Strandgut an der Donau, denn dann beweisen wir euch gemeinsam mit Martin Amanshauser, dass der Kapitalismus eine Sau ist.