Sonntag, 22. Mai 2022

Rabenväter, Blutbäder und Monets verscherbelte Nieren. Die Kriegsnachlese


An unsere Völker! Wir haben euch den Krieg erklärt! Jetzt kennt ihr euch aus. 

Es wird bei uns ja am Anfang einmal alles hererklärt, damit im Folgenden wieder alles zerdenkontruiert wird. Die informative Aufbauarbeit übernimmt seit Jahrzehnten unser Prof. Klaus Buttinger, die Haubitze der Wissensvermittlung. Er sagt, passt's auf, Folgendes: Die Urzelle des Krieges ist bei den Schimpansen zu finden, nämlich bei einem besonders schiachen Vertreter mit hitlerbärtigem Antlitz - der Beginn von 14.000 unnötigen Blutbädern. Den Krieg darf man im Übrigen nie beim Namen nennen, obwohl er der Vater aller Dinge sein soll (die Mutter ist die Wirtschaft) - die besonders bösen Kriegstreiber nennen ihr Tun "militärische Spezialoperation" oder "aktives Hegemonialstreben". Der Mensch ist insgesamt eine Schlange, die den Hals nicht vollkriegt. Sein Fazit: Ficken für den Frieden!

Weiters lud der friedensbewegte Professor zu einer schönen Meditation, beginnend beim Leid über den bösen Namensvetter: Immer nur ist vom Putin die Rede, der arme Buttin-ger fühlt sich jedes Mal angesprochen, um dann zu bemerken, dass es wieder nur um den widerlichen Aggressorenarsch geht. In dreierlei Ausführung widmet er sich also der Frage "Putin muss weg, aber wie?" In drei Varianten sinniert er über dessen letale Entnahme aus dem Bestand. Durch eine Einzelperson wird's zu teuer, ein Spezialgeschwader ist noch kostspieliger. Am besten klappt es mit dem Putinmord wohl durch eine parapsychologische Kollektivanstrengung mittels vergiftetem Ziegenkäse (und irgendwas mit einem morphogenetischen Feld, aber da hat die Archivarin grad nicht aufgepasst).

Endlich aber! Die Stargästin Cornelia Travnicek hat sich von ihrem kleinen Schock angesichts der der Themenverkündung nichts anmerken lassen. Sie präsentierte sich als niederösterreichische Staatskünstlerin, die St. Pölten als "Leber" ihres Bundeslandes bezeichnet. Das bringt uns zum Grübeln - vielleicht sollten wir OberösterreicherInnen NÖ annektieren, dann wächst zusammen, was zusammen gehört. Sodann las Travnicek Gedichte, in denen der Krieg als der Vater aller Dinge als ganz schön schiacher Rabenvater benannt wird (eine Beleidigung übrigens für jeden Raben!) und das logisch in der Aufforderung mündete, das Patriarchat zu stürzen. Da kann man gar nichts gegen sagen, gar nichts.

Ausnehmend gut gefallen hat uns auch ihr Abschlussbericht über das Aufenthaltsstipendium am LCB mit Marienkäfern und Wut sowie die Erzählung vom Traumspenden - "wenn das Weltverbessern immer so leicht ginge!" AUSSERDEM eine Passage aus "Feenstaub" führt in die Unterwasserwelt, Begegnung mit einer Nixe und einem verlorenen Jungen. Eine Stachanowa der Lesebühne.


Fleißig wie stets war Chefingenieur René Monets zum einen mittels seiner genialen lyrischen Arbeit: "krieg eier kuchen freude friede frei" sagt, wie es zugehen muss, damit es wirklich nie wieder Krieg gibt:

"die geifernden untoten mit ihren verwesten gehirnen

frohlockend und zuckend tanzen sie den charleston auf der schlachtfelddisco

im wummernden artilleriefeuer im gleißenden atomblitz"

Bitte unbedingt in voller Länge unter dem angegebenen Link lesen! 

In seinem zweiten Beitrag ließ er den sehr deutschen, sehr rassefreudigen Dr. Korkskruv wiederauferstehen, der Nehammer in der heiklen Frage der Neutralität berät. Was aber ein wenig in die Hose geht, weil der Kanzler nicht sooo gut Englisch kann und schon auf dem Sprung zum Logopäden ist. "Juice - apple or orange?" Immerhin erleidet der querschnittgelähmte Sinster-Doktor eine Wunderheilung. 

Seine sehr melancholische, sehr schöne Version von "Sunday, bloody Sunday", nämlich "Saugfrast, blödes Saugfrast" war das umjubelte Schlusslied, aber so weit sind wir noch nicht ganz, es drängt sich noch die Meindl in die Nachlese:


Die Friedenspräsidentin Dominika Meindl: Wieder einmal vergeblich versucht sie, dem Publikum ein beklopptes Drehbuch anzudrehen. Kaiserin Sissi schnitzt Nazis die Stephanskrone in die Stirn, bevor sie in Äthiopien endlich ihr Glück findet. In ihrem zweiten Text hindert sie der Herrgott daran, ihren Nachbarn weiter zu sekkieren, diesen "Möchtegern-Diktator im Jungscharleiberl". 

Beim Tagebuch forderte sie "Lesensraum für die Lebensbühne", scheitert aber wieder einmal ziemlich spektakulär - die Ansfeldner Autobahnpolizei erschießt Buttingers Schlachtross. Monet setzt auf Hamster statt Panzer und überhebt sich bei der Einmann-Belagerung Innsbrucks. Als Reparationszahlung werden seine Nieren an die italienische Organmafia verkauft. Meindl schmollt im Bunker, besoffen von Rachegefühlen und Hollerlikör aus dem vorhergehenden Jahrtausend. Am Ende stellt sich heraus, dass man mit PMS nicht zu viel saufen sollte.

 


Eine sehr schöne "Nachspann"-Sendung mit Cornelia Travnicek hat Erich Klinger gestaltet: https://www.fro.at/cornelia-travnicek-im-gespraech-und-bei-den-olw/

Die nächste Lesebühne ist am 23. August im Kultur Hof! Im Strandgut dann wieder am 23. September, zu Gast ist Katarina ohne H, hurra!

Mittwoch, 4. Mai 2022

Wir erklären den Krieg: Über die dümmste Sache der Welt


Freitag, 20. Mai 2022, 20 Uhr, Kulturverein Strandgut (Ottensheimer Straße, 4040 Linz).

Eintritt frei! Der Austritt kostet 2 € (= 1 Tombolalos = 1 Kriegsanleihe).

An unsere Völker! Kriegt euch wieder ein!

Herrschaftszeiten, in welch dummen Zeiten wir leben! Aktuell wird ja wieder überall hochgerüstet, als ginge es um Untergatten, als brauche man für jeden Wochentag einen anderen Panzer! Alle wollen zur NATO, aber wäre es nicht billiger, einfach Putin in einer pazifistischen Spezialoperation in eine... äh „human fatality“ zu verwandeln? Doch die wichtigste Frage: Was muss denn noch alles passieren, bis Frau Herrgott top down das friedliebende Matriarchat einführt? Müssen wir wieder alles selber machen?!

Das Oberstreitkommando der oö. Landesliteraturverteidigung erklärt euch also den Krieg. Für euch schlachten wir Pölster, stellen historische Schlachten nach und annektieren konkurrierende Lesebühnen. Prof. „Lysistrata“ Buttinger bricht eine Lanze für den Frieden, Chefingenieur Monet reüssiert in der Entrüstungsindustrie und Präsidentin Meindl führt schon lange Rosenkrieg gegen das Patriarchat.

Stell' dir vor, es ist Lesebühne, und alle gehen hin.

Zu Gast ist Cornelia Travnicek, auf deren Wiederkehr wir uns schon seit 2010 freuen! Sie war von Beginn an eine der vielseitigsten Autorinnen des Landes und hat seit damals Preise und Auszeichnungen in solcher Zahl bekommen, dass man sagt: Jawoi, das ist recht.

Dazu gibt’s Pro- und Antikriegsliedgut von der „Blutgruppe“ sowie die Tombola des Grauens. Das alles im höchstgeschätzten Strandgut!

Dienstag, 3. Mai 2022

Spritzendes Herzblut, Eierstöcke voller Bienen und Androiden mit Harnverhaltung: Die Nachlese zur Roboter-Lesebühne

Und so kam es, dass wir nach dieser ersten realen, analogen Lesebühne seit 1000 Jahren Pest dastanden wie wunderliche Tiroler auf dem Glungezer und sagten: "Mei, schian! A so a Tagele! Gewaltig!" Das menschliche Glücksgefühl angesichts humaner Gemeinschaft kann uns halt kein Roboter wegrationalisieren. Und Sachen nicht der Reihe nach erzählen, dass ist auch ganz und gar menschlich (bzw. Unart der hier nachberichtenden Bundespräsidentin).

Es ging also um Roboter vergangenen Freitag - unser Einstieg in den Projektzyklus "Digital Linzer Worte", ein Leuchtturmprojekt für das Land der Moöglichkeiten in der Konjunkturbrumm-Metropole L_nz! 

Zu Gast war Silke Gruber aka wand_lungen. Wir hatten ihr zur Entspannung vorher eröffnet, dass sie in ihrem Tirolerisch gerne auch nur die Bedienungsanleitung für einen Rasenmäherroboter vorlesen könne, wir seien ihr linguistisch jetzt schon verfallen. Tat sie aber nicht! Stattdessen erquickte sie uns mit einem Up-Date-Leidensprotokoll (feelin' ya) und einer elektro-gestützten Hommage an Doris Days "Que sera?" Die Antwort war eine Aneinanderkettung mütterliche Weissagungen im Sinne von "Es kimb, wosch kimb".

Die allerschönste Idee an einem ideenstarken Abend: Was, wenn die kleinen Kinder nicht mehr von Frauen produziert werden müssen, sondern vom Fließband kommen, oder wirklich einmal vom Storch, oder von anderen Tieren, die einen Image-Boost brauchen? Die von der Reproduktion befreiten Frauen atmen auf, stattdessen bringen sie Bienen auf die Welt - eine Geburt ist nicht mehr als ein kleines Fürzlein, und nebenbei hat man was für die Umwelt gemacht. Top! Das Beste aber: Weil die Gebärmutter etc. nicht mehr so viel Platz braucht, lässt die Evolution den Damen jetzt Blasen wachsen, die so viel Urin fassen, dass sie nur noch alle drei Tage Lulu müssten. Wie cool ist das denn!?

Professor Buttinger klärte das Publikum singend darüber auf, dass Roboter nicht aufs Klo müssen, weil sie keine dafür geeigneten Organe besitzen. Good to know! Weiters informierte er das Publikum, dass es im Verblendungszusammenhang der Matrix gefangen sei, und dass die Menschen bald eingespart werden, also möge man sich bitte kämpfend erheben, aber JETZT!!! Leider verfällt er im Zornesrausch auch auf die Idee, die Kolleg:innen für Propaganda-Roboter zu halten, weswegen ihn die Präsidentin per Spock-Betäubingsgriff kurz auf Standby setzt. Nachher geht wieder alles tipptopp beim ProfBot Buttinger. Seine Moritat zweier Automaten, die sich ineinander verlieben, prangte mit zwei Schlüssen - einem traurigen und einem noch traurigeren. Unsere Gefühlschips knarzten vor Empathie.

In vitalem Grün ausgeleuchtet ist hier Chefingenieur René Monet abgebildet. Er verlas eine skurrile To-Do-List für eine Alexa-Armee. Sehr mitreißend auch seine Ballade von am hoatn Omd voll hinicher Technik - Mensch vs. Roboter vor dem "Wir sind die Roboter"-Soundwall. Kraftwerk für Lustige!Voll menschlichem Leid dann sein Schlusslied über die allmähliche Verdrängung des Menschen durch Schrauben, Prothesen und Chirurgie zu den Klängen des geliebten Semmeltrenz-Klassikers "Fake Plastic Trees" von Radiohead. "Bitte gebt's ma an Frühling nu! I bin scho hi - nehmt's an Automatn."
 

Präsidentin Dominika Meindl hatte einen besonders singschwachen Tag und musste alle ihre Strophen an die verlässlicheren Mitarbeiter outsourcen, aber das kommt davon, dass man keine Maschine ist, die kann immer. Stattdessen schickte die Matriarchin in einem leicht autobiographischen Text (anders kann sie's nicht) ihre "Heldin" auf der Flucht vor allzu menschlichen Terminatoren in die Alpenfestung im Toten Gebirge. Die fiktionale Heldin hatte nämlich durch die Erfindung von Hobby-Robotern, die statt uns Tiere streicheln und Briefmarken sammeln, das Ende der biologischen Bevölkerung + der heiligen Dreifaltigkeit ausgelöst. Blutgruppe B positiv spritzt auf Aprilschnee, After Eight werden gehasst und die Wirkmacht der Sprache gefeiert. Das Übliche halt!

Das alles nur, um einen Spannungsbogen hin zur vom Publikum hibbelnd herbeigesehnten Tombola des Grauens zu spannen!

Ist das eine Tombola, oder was?! Das Beste: Dieses herrliche Schnapsfässlein im Zentrum wurde noch nicht abgeholt und wartet am 20. Mai auf sein neues forever home wie ein Dackel im Tierheim. Diese VHS-Kassette hat schon seine neue Besitzerin gefunden, und wir freuen uns mit ihr wie Edith Klinger für Sachen.


 Nächste Lesebühne: 20. Mai - die Ankündigung ist schon in diesem Blog zu lesen!